Badisches Tagblatt 30.8.14
Zwischen zwei Welten
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Addys Mercedes veröffentlicht neues Album
Addys Mercedes und ihre 13-jährige Tochter Lia machen es sich gemütlich auf einer kleinen grünen, verlassen stehenden Bank. Addys reckt und streckt sich nach der Sonne – vergeblich. „Die vermisse ich wirklich in Deutschland“, sagt sie seufzend und gibt die Suche nach den wärmenden Strahlen an diesem trüben Sommertag endgültig auf. Doch ihr aufrichtiges Lachen und ihre warme Ausstrahlung vermögen selbst die dunklen Wolken am Himmel nicht zu trüben. Aber das war nicht immer so, erzählt die kubanische Sängerin, die fernab verstaubter Kuba-Klischees von qualmenden dicken Zigarren, farbenfrohen Oldtimern, singenden Opas und sonnigem Bacardi-Summer-Feeling die musikalischen Wurzeln ihrer Heimat mit modernen Popelementen der westlichen Welt vermischt.
Wunderbar gelungen ist ihr dieser musikalische Spagat zwischen den Welten auf ihrem bereits vierten Studioalbum „Locomotora a Cuba“, das am 5. September erscheinen wird. Mit BT-Redakteurin Kathrin Maurer hat sich die Sängerin über ihr Leben zwischen zwei Welten, ihre Family-Band mit Tochter Lia und den alltäglichen Spagat zwischen den Mentalitäten unterhalten.
BT: Addys, Sie suchten grade vergeblich nach der Sonne, die in Kuba wahrscheinlich fast immer scheint. Aber nach so vielen Jahren in Deutschland haben Sie sich wahrscheinlich schon daran gewöhnt, oder?
Addys: Die Sonne vermisse ich am meisten und dieses besondere helle Licht. In Deutschland ist es oft trüb und grau. Am Anfang war das sehr schwer für mich und hat mich oft traurig gemacht. Ich kam im Winter hierher und da war überhaupt keine Sonne zu sehen.
BT: Wo ist ihre Heimat – in Kuba oder in Deutschland?
Addys: Halb Kuba, halb hier würde ich sagen. In Kuba lebt meine Familie, aber Deutschland hat mich zu der Person gemacht, die ich heute bin. Erst hier konnte ich richtig Musik machen, mich ausprobieren. In Kuba wäre das sehr schwierig geworden. Dort habe ich zwar auch gesungen, aber keine eigenen Lieder. Die Bands sind dort sehr groß, meist sind es 15 oder 16 Leute, und ich war eben nur eine von drei oder vier Sängerinnen. Alleine gesungen habe ich erst mit meiner letzten Band in einem Touristenzentrum. Dort habe ich meinen Ex-Mann kennengelernt, mit ihm bin ich damals nach Deutschland.
BT: Wie waren Ihre Anfänge in Deutschland?
Addys: Die waren nicht gerade leicht. Ich kam aus einer anderen Welt. Wetter, Sprache, Mentalität – an all das musste man sich zuerst gewöhnen. Ich habe schnell die Sprache gelernt, und auch, mich hier zurecht zu finden. Musikalisch habe ich schnell Dinge gestartet, aber es war nichts sehr Interessantes, eher traditionelle kubanische Musik so wie Guantanamera. Aber ich hatte immer schon den Wunsch, etwas Eigenes zu machen.
BT: Hatten Sie die Nase voll von kubanischer Klischee-Musik?
Addys: Ja, irgendwann hatte ich keine Lust mehr auf Cover. Jeder dachte: Oh, du kommst aus Kuba, bist immer super drauf und singst typische Songs. Aber das ist so wie wenn Deutsche junge Sänger nur Lieder von Roberto Blanco singen, das ist eine ganz andere Generation. Als ich vor 16 Jahren dann meinen jetzigen Mann kennengelernt habe, der auch Musiker und der Vater von Lia ist, begannen wir, zusammen eigene Musik zu machen.
BT: „Locomotora a Cuba“ ist bereits Ihr viertes Album. Waren die anderen erfolgreich?
Addys: Mein erstes Album nahmen wir in Kuba auf, es war sehr kubanisch und wurde dort erfolgreicher als wir dachten. Das zweite war ein Versuch, kubanische Musik mit House und Elektrosound zu mixen. Beim letztem Album namens „Addys“ hört man schon heraus, dass ich nicht mehr auf der Suche nach etwas bin. und das neue Album zeigt, ich bin wirklich angekommen, die Suche ist beendet.
BT: Die Basis aller Songs war aber stets kubanische Musik?
Addys: Ja, meine Wurzeln hört man immer und überall heraus. Heute ist der kubanische Einfluss nicht mehr so im Vordergrund, es ist wie ein Schmuck, der die Lieder ziert.
BT: Könnten Sie sich vorstellen, auf Deutsch zu singen?
Addys: Ich habe zuviel Respekt vor der Sprache, denn wenn ich Texte schreibe, dann müssen sie gut sein, auf Deutsch traue ich mir das nicht zu.
BT: Zieht sich ein roter Faden durch Ihr aktuelles Album oder hat jedes Lied seine eigene Geschichte?
Addys: Jedes Lied hat eine eigene Geschichte, die viel mit meinem Leben zu tun haben. Der Song „No Queda Nada“ bedeutet „Nichts bleibt“ und erzählt von den Gegensätzen, von Armut und Reichtum. Das Thema ist für mich sehr präsent, denn in Kuba leben wir zwar nicht auf der Straße aber wir sind nicht reich. Hier sieht man tolle Häuser, doch dann schmeißen die Menschen beim Sperrmüll Möbel wie Müll auf die Straße. In Kuba arbeitet man für so etwas Jahre und kann es sich doch nicht wirklich leisten. Mit diesen Unterschieden musste ich erstmal lernen zu leben, es hat mir wirklich wehgetan, so etwas zu sehen.
BT: Was vermissen Sie an Deutschland, wenn Sie in Kuba sind, und andersrum?
Addys: Ich stecke immer zwischen den Welten, es gibt Dinge, die mich in Kuba total nerven, die ich aber auch wiederum gut finde. Am besten wäre eine Mischung aus beiden Ländern, aber auf eines muss man eben immer verzichten. Das Chaos in Kuba stört mich, aber gerade das hat auch viel Leben, auf der Straße ist Leben. Deutschland ist dagegen wie ein Friedhof, alle sind unspontan, alles sollte möglichst geplant sein.
BT: Hat ihre Familie in Kuba schon mal angemerkt, dass sie sich verändert haben, seit Sie in Deutschland leben?
Addys: Oh ja. Meine Mama hat sich mittlerweile an mich gewöhnt, aber am Anfang konnte sie mich nicht verstehen. Ein Jahr, nachdem ich nach Deutschland zog, war ich wieder bei ihr und sie sagte, ich sei kalt geworden. Ich hätte so viel Abstand zu den Leuten, sei so distanziert. In Kuba fassen sich alle Leute an beim Sprechen, aber hier merkte ich, dass das nicht gemocht wird. Man hatte Angst vor mir, wenn ich nahe kam. Ich habe das deutlich gespürt, schlechte Erfahrungen gemacht und mich verändert. Natürlich merkt auch die Familie, dass ich nichtmehr die gleiche bin.
BT: Einen wichtigen Teil ihrer Familie haben Sie aber mit ihrer Family-Band immer um sich herum: Ihre Tochter Lia spielt Geige in ihrer Band. Was bedeutet das für euch?
Addys: Ich freue mich, dass Lia dabei ist, und so in meiner Nähe. natürlich ist es für sie auch anstrengend, denn sie muss unterwegs lernen. Wir kümmern uns neben der Musik um sie, was auch nicht immer leicht ist, aber es ist wirklich sehr schön.
Lia: Man hockt halt auch aufeinander, und denkt sich schon manchmal, oh, nicht der schon wieder. Aber häufig freut man sich auch, dass es eben genau der Mensch ist, der in der Nähe ist.
BT: Lia, für Dein Alter lebst du schon ein sehr besonderes Leben. Du bist Jungstudentin für Musik an der Uni in Essen, hast daneben Schule und tourst mit Deiner Mutter. Vermisst Du manchmal einen normalen Alltag mit Freundinnen?
Lia: Klar, aber das lässt sich nicht vermeiden. Ich lebe so eine Art Doppelleben: Ich habe das Schulleben, aber auch das Leben mit der Musik. Es ist manchmal schon anstrengend, aber es macht auch großen Spaß. Natürlich denke ich manchmal, was hab ich mir da bloß eingebrockt, aber ich bin auch sehr dankbar für die Chance.
BT: Wenn Sie Ihre Kindheit mit der von Lia vergleichen, sind die Unterschiede wahrscheinlich enorm, oder? Addys: Ja, ich habe ein Lied zu diesem Thema auf der neuen Platte, es heißt: „Carrito de Carton“, das ist so etwas wie eine Seifenkiste, die ich mir als Kind selbst gebaut habe. Ich komme aus ganz einfachen Verhältnissen, meine Mutter hatte vier Kinder, war alleinerziehend und konnte nicht für alle von uns Spielzeuge kaufen, also haben wir uns das selbst gebaut aus Holz und Karton. Ich hatte eben dieses Spielzeugauto und in meiner Fantasie bin ich damit durch Kuba gefahren. Als Kubaner kennt man sein Land nicht besonders gut. Wenige besitzen ein Auto – und so bin ich in meinen Träumen voller Stolz durch mein Land gefahren.
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