Konzertkritik MZ-Regensburg 10.1.15
Kubas Musik versetzt mit frischem Flair.
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Konzert – Addys Mercedes setzte ihr Publikum im Leeren Beutel in eine sympathische „Locomotora“ und führte vor, wie gut kultureller Austausch klingt.
Regensburg – Mit dem Zug nach Kuba? Ein aussichtsloses Unterfangen. Das Land ist bekanntlich eine Insel. Sicher, Florida wäre gleich nebenan. Und ja, die US-Regierung unter Obama geht neuerdings sogar auf die Castro-Brüder zu. Einen Brückenschlag wird es dennoch nicht geben – und schon gar keine gigantische Eisenbahnbrücke. Wer nach Kuba will, muss wohl auch in Zukunft per Schiff oder Flugzeug anreisen.
Addys Mercedes hat am Donnerstag im Jazzclub im Leeren Beutel trotzdem die „Locomotora a Cuba“ die „Lokomotive nach Kuba“, besungen. Man darf annehmen, dass es sich dabei um eine vom Typ Emma handelt, ein Gefährt, mit dem schon Jim Knopf und Lukas auf Reisen gingen, eine kleine, sympathische Dampflok eben, die unermüdlich schnauft und dampft und dabei auch noch flott unterwegs ist. Das Beste aber: Emma braucht nicht unbedingt Schienen, wenn sie auf Lummerland ihre Kreise zieht – und bei Bedarf schwimmt sie sogar.
Familiäre Besetzung
Keine Ahnung, ob die Kubanerin Mercedes je von Emma oder Michael Ende gehört hat. Möglich wär’s, schließlich lebt sie lange genug in Deutschland und hat eine zwischenzeitlich 14-jährige Tochter, Lia, die hier aufgewachsen ist und in der Band der Mutter Geige spielt. Ja, vielleicht sind es ja gerade die Erfahrungen, die Mercedes im deutschen Lummerland gemacht hat, dieses so ganz ung gar nicht karibische Lebensgefühl hierzulande, die ihr nun einen etwas anderen Blick auf ihre Heimat erlauben. „Locomotora a Cuba“ wäre demnach nicht nur ein Song und der Titel von Addys Mercedes’ aktueller CD, sondern auch so etwas wie ein Konzept, eine Art kultureller Austausch. Und der hat im prall gefüllten Leeren Beutel außerordentlich gut funktioniert.
Schon die Enge, die Wohnzimmeratmosphäre, passte wie die Faust aufs Auge zu dem Auftritt von Mercedes und ihrer Band, die nicht umsonst „En Casa de Addys“ heißt. Familiär ging’s zu mit Tochter Lia, Lebensgefährte Cae Davis am Bass und „Adoptivonkel“ (O-Ton Mercedes) Pomez di Lorenzo an der Gitarre. Dass sich hinter letzterem mit Stephan Baader ein überaus erfolgreicher deutscher Musikproduzent verbirgt, der unzählige Gold- und Platinplatten eingeheimst und mit Sängern wie Sasha oder Sammy Deluxe zusammen gearbeitet hat, sei hier nur am Rande erwähnt.
Das Konzert selbst: Akustisch-intim, unplugged, in gewisser Weise geradezu kammermusikalisch und natürlich getragen von der ungemein warmen, dunkel timbrierten Stimme von Mercedes, die sie so gefühlvoll, unverstellt und klar einzusetzen weiß, dass selbst eine schnulzige Pop-Ballade verdammt ehrlich rüberkommt.
Eine grosse Geschichtenerzählerin
Pop? Oh ja, der gehört bei ihr irgendwie dazu. Ihre Musik wurzelt im Son Cubano, und die Band erinnert nicht nur wegen der Besetzung an die alten Charanga-Ensembles. Mit der Alt-Herren-Musik des Buena Vista Social Clubs hat das Ganze gleichwohl nur bedingt zu tun. Addys Mercedes verfolgt einen weiter gefassten Ansatz, ist offen für Einflüsse von außerhalb und geht auch schon mal in Richtung Singer/Songwriter. Ihr Son klingt dadurch fischer, heutiger und changiert dennoch wie gewohnt munter zwischen tiefer Melancholie und Ausgelassenheit hin und her.
Natürlich ist die Frau auch eine grosse Geschichtenerzählerin. Da ist etwa die Geschichte von dem Russen, der sie und ihre Freundinnen auf einer Fähre in Kuba aufgefordert hat, doch jetzt bitte eine Polka zu spielen, weil er einfach jetzt Polka tanzen wolle. Polka auf Kuba? Geht irgendwie gar nicht. Mercedes & Co haben es wohl dennoch hingekriegt und nun ist die nette kleine Anekdote sehr zur Freude des Publikums zum Lied geworden, „Ahí“. Was das bedeutet? Na ja, man übersetzt es am besten wohl mit „dort“ oder „dorthin“. Und selbstverständlich gibt es nur eine adäquate Art diese „Dort“ auch zu erreichen – mit der „Locomotora“ nämlich.
Thomas Göttinger, MZ
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